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Grußwort von Sibylle Osten-Vaa bei der Nordisch-Baltischen Germanistentagung 2018
Grußwort von Kulturreferentin Sibylle Osten-Vaa anlässlich der Eröffnung der Nordisch-Baltischen Germanistentagung in Kopenhagen am 26.6.2018 im Copenhagen Admiral Hotel

Sehr geehrte Damen und Herren,
Seit 1976 wird das Nordisch-Baltische Germanistentreffen alle drei Jahre in einem der nordischen oder baltischen Länder veranstaltet. Dies geschieht im Bewusstsein, dass es sich hierbei um die wichtigste Tagung zum fachlichen Austausch der Hochschul-Germanistik handelt. Blickt man heute zurück auf die vergangenen drei Jahre, so steht das diesjährige Treffen der nordischen und baltischen Germanisten in Kopenhagen im Zeichen eines Phänomens, das in einem der Plenarvorträge thematisiert wird unter dem Titel „Germanistik im 21. Jahrhundert – digitale Transformation eines Faches“.
Denn in dem Zusammenhang kann man die Frage stellen, ob sich die Germanistik im 21. Jahrhundert in einer Krise befindet, herbeigeführt durch die vermeintlich unaufhaltsam fortschreitende Digitalisierung unserer Gesellschaft, die u.a. einhergeht mit neuen Sprach- und Ausdrucksformen in den sozialen Medien und einer zumindest vorhergesagten zunehmenden Robotisierung vieler Berufsfelder?
In der Tat haben sich die Medien in Deutschland in den zurückliegenden Jahren mit dem Thema der Krise der Germanistik befasst. Dem Massenfach fehle zunehmend jegliche gesellschaftliche Relevanz, lautet da die Kritik. Die Professorinnen und Professoren und der germanistische Nachwuchs liefen Gefahr, sich hinter einer Fachsprache zu verschanzen, die vor der Tür ihrer Seminarräume kaum noch jemand verstehe. Hinzu kommt ein wachsender Revisionsbedarf des Germanistikstudiums, das der krisenhaften Erosion von Berufsfeldern Rechnung trägt.
Wenn man davon ausgeht, dass mit dem Siegeszug der Künstlichen Intelligenz ab der Mitte des 21. Jahrhunderts die Hälfte aller bisherigen Berufe voraussichtlich nicht mehr existieren wird und völlig neue Berufe an ihre Stelle treten werden, dann liegt es auf der Hand, dass auch die Germanistik sich frühzeitig auf die Vermittlung neuer fachsprachlicher Kompetenzen einstellen muss. Das heißt, für die Germanistik wird die Beschäftigung mit den Sprachfeldern neuer, marktorientierter Berufe , v.a. im kybernetischen Fachbereich, wohl eine völlig neue Bedeutung gewinnen. Und wie können wir angesichts dieser digitalen Tendenzen die Autonomie des Menschen im analogen Leben und im Geiste des Humanismus neben den expandierenden virtuellen Welten bewahren und fördern?
Lassen Sie uns aber angesichts dieser Herausforderungen nicht vergessen, was die Germanistik in den nordische und den baltischen Staaten im zurückliegenden halben Jahrhundert für die Förderung der deutschen Sprache geleistet hat. Ich denke hierbei u.a. an die Wiedereinführung der deutschen Sprache seit der Perestroika in allen Ländern des Baltikums. So entstand beispielsweise bereits 1997 in Estland im sog. „Deutschen/bzw. Saksa Gymnasium Tallinn“ ein komplett deutschsprachiger Zweig, wo bald darauf zum ersten Mal ein deutsches Abitur abgelegt werden konnte.
Und wenn es heute in Finnland trotz großer Minderheit der Deutschen neben der Deutschen Bibliothek in Helsinki eine Deutsche Schule gibt, so ist auch dies nicht ohne germanistische Wirkmächtigkeit denkbar. Dies gilt auch, wenn in den nordischen Ländern weiterhin Deutsch auf dem Stundenplan der Schulen steht und beispielsweise in Dänemark derzeit die Zahl derjenigen Schulen, wächst, die sich für einen qualifizierten Deutschunterricht entscheiden etwa durch die Einführung von Sprachzertifikaten wie das Deutsche Sprachdiploms/DSD oder Zertifikate des Goethe Instituts.
Ich möchte daher Ihrem diesjährigen Treffen im Namen der Deutschen Botschaft von Herzen Mut und Zuversicht wünschen. Mut und Zuversicht für einen Diskurs, der begleitet sein möge von der Bereitschaft, die Schüler und Studenten in Ihrem jeweiligen Land für die neuen Herausforderungen zu begeistern und zu motivieren.
Ich bin sicher, dass für das Entstehen von Begeisterung und Motivation Ihr persönliches Engagement entscheidend sein wird. Denn neben dem Spracherwerb durch digitale Medien wird auch weiterhin das Wort Johann Wolfgang von Goethes wichtig sein: „Was ist köstlicher als Gold? Das Licht. Was ist erquicklicher als das Licht? Das Gespräch.“
Vielen Dank!
Es gilt das gesprochene Wort.