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Grußwort zum Tag der Deutschen Einheit am 3.10.2018 in Apenrade
Grußwort der Gesandten und Minderheitenbeauftragten Anke Meyer zum Tag der Deutschen Einheit am 3.10.2018 in Apenrade
Es gilt das gesprochene Wort
Liebe Nordschleswiger, liebe Gäste,
Wir feiern heute den ersten Tag der Deutschen Einheit, an dem Deutschland länger wieder vereint ist, als es durch Mauer und Stacheldraht geteilt war.
Noch im Januar 1989 hatte Erich Honecker erklärt, die Mauer werde in 50 und auch in 100 Jahren noch bestehen. Am Ende waren es „nur“ 28 Jahre, 2 Monate und 28 Tage – deutlich weniger als 100 Jahre, aber im Leben eines Menschen eine lange Zeit.
Berlin, die geteilte Stadt, die „Insel Berlin“, war das Symbol schlechthin nicht nur für die Teilung Deutschlands sondern für die Teilung Europas und der Welt des Kalten Krieges insgesamt. Genauso ist sie das Symbol für ihre Überwindung.
Als Gastgeberin der zentralen Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit lädt Berlin heute ein zu einem Fest der Freiheit und der Demokratie, das unter dem Motto steht „Nur mit Euch“.
Dieses Motto soll daran erinnern, dass Mauern Menschen nicht dauerhaft aufhalten können, wenn sie sich zusammentun und gemeinsam dagegen anrennen. Es soll daran erinnern, wie stark Gemeinschaft machen kann. Und es soll daran erinnern, dass Freiheit und Demokratie, an die wir uns so gewöhnt haben, immer wieder neu verteidigt werden müssen. Von uns allen. Gemeinsam.
Denn die Berliner Mauer mag weg sein, aber es sind in der deutschen Gesellschaft, so Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, „andere Mauern entstanden, weniger sichtbare, ohne Stacheldraht und Todesstreifen – aber Mauern, die unserem gemeinsamen Wir im Wege stehen.“
Das gemeinsame „Wir“ – das deutsche wie das europäische insgesamt – ist in den letzten Jahren wohl durch nichts so sehr herausgefordert worden, wie durch die Migrations- und Flüchtlingskrise.
Sie ist sicher nicht die Wurzel aller Herausforderungen, vor denen unser Land steht, aber ihr unübersehbarer Kristallisationspunkt.
Dieses „Rendezvous mit der Globalisierung“, wie es Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble nennt, zwingt uns dazu, uns der sehr grundsätzlichen Frage zu stellen, in welchem Land, in welcher Gesellschaft wir eigentlich leben wollen.
Eine Frage, um die aktuell nicht nur in Deutschland gerungen wird und auf die die Antwort vielerorten noch aussteht.
Der Ton, mit der diese Auseinandersetzung geführt wird, ist mitunter erschreckend rau geworden. Und darin liegt die eigentliche Gefahr. Dass aus den Unterschieden, die zu einem vielfältigen Land wie Deutschland dazugehören, Unversöhnlichkeit werden könnte.
Mehr als einmal sah sich Wolfgang Schäuble schon genötigt, daran zu erinnern, dass Streit zwar die Grundvoraussetzung einer lebendigen Demokratie sei, dieser Streit aber zivilisiert und nach demokratischen Regeln zu führen sei. Die Erfahrung unserer Geschichte lehre, wie leicht verantwortungsloser Streit zu Hass und einer Eskalation von Gewalt führen könne.
Die Bundeskanzlerin wurde nach den Ereignissen von Köthen und Chemnitz noch deutlicher. Sie sagte:
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Artikel 1 gilt für jeden Menschen, und wer dagegen verstößt, der legt die Axt an die Wurzel unseres Zusammenlebens.
Wer dagegen verstößt, stellt sich gegen unsere Werte von Einigkeit und Recht und Freiheit. Die aber sind unseres Glückes Unterpfand.
Dass Derartiges im Jahr 2018 im Deutschen Bundestag überhaupt gesagt werden muss, dürfte dabei das eigentlich Bemerkenswerte sein.
Natürlich ist nicht jeder, der sich dieser Tage abwendet, ein Feind der Demokratie, aber, so bringt es der Bundespräsident auf den Punkt: Er fehlt der Demokratie. Gerade jetzt, wo es auf jeden einzelnen ankommt.
Nicht von ungefähr ist das Wort Heimat gerade wieder in aller Munde. Genauer gesagt, die Sehnsucht nach Heimat. Nach einem Ort, an dem man festen Boden unter den Füßen hat. An dem man versteht und verstanden wird.
Dieser Ort scheint nicht wenigen im Zeitalter der Globalisierung, mit all ihren Verheißungen und Möglichkeiten, aber eben auch mit all ihren Zumutungen und Verunsicherungen, abhandengekommen zu sein.
Es wäre verkehrt, die neue Sehnsucht nach Heimat als irgendwo zwischen politischer Ewiggestrigkeit und bürgerlicher Spießigkeit verortet abzutun. Denn das hieße, sie eben denen zu überlassen, die „Heimat“ als Kampfbegriff benutzen, um die Fronten weiter zu verhärten. „Wir gegen die“, heißt es da. Oder schlimmer noch „Wir oder die“.
Der Bundespräsident wirbt denn auch für ein neues Verständnis des Begriffes Heimat.
Als einen Begriff, der in die Zukunft weist, nicht in die Vergangenheit. Als Ort, den wir uns als Gesellschaft erst schaffen, an dem das „Wir“ wieder Bedeutung bekommt.
Dabei sind zwei Dinge wichtig: Heimat soll offen sein, aber nicht beliebig. Unsere Grundwerte, die Ordnung des Grund-gesetzes, das Bekenntnis zu unserer Geschichte und der Verantwortung, die daraus erwachsen ist, namentlich auch eine strikte Intoleranz gegenüber jeder Form von Rassismus und Antisemitismus
– all das ist nicht verhandelbar. Weder für die, die neu dazu kommen, noch für die Alteingesessenen.
Dies schließt aber nicht aus, dass sich ein Mensch an mehr als einem Ort zuhause fühlen darf, dass er mehr als eine Heimat haben kann.
Liebe Nordschleswiger, liebe Gäste,
wenn man die Diskussionen in Deutschland verfolgt, möchte man dem einen oder anderen gerne zurufen, fahrt doch mal nach Nordschleswig und schaut Euch an, wie dort heute Heimat gelebt wird. Nämlich genau so, wie es sich der Bundespräsident wünscht: nicht beliebig, aber offen.
Mit festen Überzeugungen und Werten, die engagiert vertreten werden. Der eigenen Tradition verbunden, ohne die Augen vor der Vergangenheit zu verschließen. Verpflichtet dem Ziel, dass Nordschleswig auf in Zukunft ein Ort bleiben soll, an dem sich alle Menschen, die hier leben, ob sie der Minderheit angehören oder nicht, zu Hause fühlen.
In Kürze warten Currywurst, Döner und Buletten auf uns – man könnte auch sagen: drei sehr unterschiedliche deutsche Heimatgeschichten.
Alle drei sind heute Berliner „Nationalgerichte“, ganz klar.
Doch bestenfalls die Currywurst ist ein echtes Berliner Original – und dies auch nur, wenn man der Legende folgt, nach der diese ebendort im Jahr 1949 von Herta Heuwer erfunden wurde. Geboren im preußischen Königsberg, das zu diesem Zeitpunkt allerdings schon Kaliningrad hieß und zur Sowjetunion gehörte.
15.000 Dönerbuden soll es bundesweit geben. Als in den 60er Jahren die ersten türkischen Gastarbeiter nach Deutschland kamen, hätte dies wohl kaum jemand vorhergesagt. Sie waren nicht gekommen, um zu bleiben – heute leben geschätzt drei Millionen türkeistämmige Menschen in Deutschland.
Und schließlich die Bulette. Die kleine Fleischkugel – „la Boulette“ – ist aus Frankreich nach Deutschland eingereist. Mit den Hugenotten, den französischen Protestanten, die im 17. Jahrhundert vor Unterdrückung und Verfolgung durch Ludwig XIV. flohen und unter anderem in dem, was heute Deutschland ist, eine neue Heimat fanden.
In diesem Sinne: auf die deutsche Einheit, die vielleicht mehr als alles andere eine Geisteshaltung ist! Vielen Dank!